Der POC Ventral Air SPIN im Test – Ventilation trifft Aerodynamik

Mit dem Ventral Air SPIN hat POC einen neuen Helm auf den Markt gebracht, der sich in Design und Technologie zwar stark am Ventral SPIN orientiert, aber mit völlig neuen Qualitäten aufwarten kann. Welche das sind, erfahrt ihr in Daniels Testbericht.

Letztes Jahr stellte POC den Ventral SPIN vor und erweiterte damit die Rennradpalette, neben dem gut belüfteten und sehr leichten Octal, um einen Aero-Helm. Als dann für diese Saison zur Tour Down Under der Ventral Air Spin vorgestellt wurde, lag die Vermutung nahe, dass er sich zwischen den beiden Modellen ansiedeln soll. Das heißt also ähnliche aerodynamische Fähigkeiten wie der Ventral SPIN bei besserer Belüftung. Profis tragen ja besonders gern Aero-Helme, aber die Tour Down Under ist traditionell als Hitzerennen mit Temperaturen über 40°C bekannt und wäre für einen traditionellen Aero-Helm, der nicht auf besondere Belüftung setzt, deutlich zu heiß. Daher war das Rennen zur Präsentation perfekt gewählt.

Ventilation trifft Aerodynamik – der POC Ventral Air SPIN

Das wäre doch auch genau mein Helm, dachte ich mir. Denn der Octal ist zwar echt angenehm zu tragen, besonders an heißen Tagen, ist aber schon ein echtes Trumm im Wind und man sieht ein wenig aus, wie ein Pilz. Ein zu großen Teilen geschlossener Aero-Helm, der mir sicher in der Ebene hilft, meine Drücker-Stärken auszuspielen, ist aber auch nicht ideal, denn am Berg fällt mein Tempo doch stark ab und spätestens dann, wenn kein Fahrtwind mehr durch die Öffnungen bläst, wird es unter der Aero-Schale doch schnell sehr warm. Irgendwas dazwischen wäre also optimal. Oder macht das dann keinen Unterschied mehr, wenn man versucht, einen Kompromiss aus beiden Helmtypen zu verwenden?

Die theoretischen Überlegungen konnten mit praktischen Erfahrungen untermauert werden, als ich die Gelegenheit erhielt, den Ventral Air Spin selbst zu testen. Doch wie immer bei einem Produkttest kommt vor der Praxis die Theorie.

Belüftung des Ventral Spin

Der Ventral Air Spin setzt, wie der Name schon vermuten lässt, auf den Venturi-Effekt zur aerodynamischen Verbesserung. Er hat also mehr Lüftungsöffnungen auf der Rückseite, als an der Front, um so einen Unterdruck hinter dem Helm zu erzeugen, welcher die sich vor dem Kopf stauende Luft durch den Helm hindurch zieht, anstatt zu versuchen, die Luft um den Helm zu leiten, was immer zu Verwirbelungen führt. Beim Ventral ist dieser Ansatz noch deutlicher zu erkennen, aber beim Ventral Air kommt ja eben noch das Wörtchen „Air“ dazu. Es wurde also auch Wert auf Belüftung in Form von Luft/Temperatur-Abfuhr durch die Öffnungen im mittleren Bereich des Helms gelegt, was dazu führt, dass er auf den ersten Blick schon sehr stark an den Octal erinnert. Alles nur heiße Luft etwa? Da schauen wir doch mal genauer hin!

Alle POC-Rennradhelme haben im Bereich direkt an der Stirn praktisch die gleichen Öffnungen in Menge und in etwa der Form. Der Unterschied ist vor allem im mittleren Helmbereich und am Heck zu finden. Ist der Octal hier über einen langen, gestreckten Bereich für bestmögliche Luftabtransport in der Vertikalen weit geöffnet und der Ventral vollständig geschlossen, um die Luft glatt am Helm entlang gleiten zu lassen bevor er zum Heck hin früh abfällt, so erlaubt sich der Ventral Air hier noch eine ordentliche Lüftungsfläche, übernimmt aber vom Ventral das schnell abfallende, sich in der Mitte zu einem Kanal duckende, Heck. Meiner Meinung nach ist er, was die Lüftung angeht, mehr beim Octal, als beim Ventral. Was man auf den ersten Blick übrigens nicht sieht, ist die Tatsache, dass sowohl Ventral als auch Ventral Air schmaler sind, als ein ein Octal und das um über einen Zentimeter. Wenn man sich klar macht, welchen Aufwand Ingenieure treiben, um Rennrad-Rahmen um ein paar Quadratzentimeter Stirnfläche zu reduzieren, so ist ein schmalerer Helm sicher eine lohnende Investition in die Aerodynamik. Als positiver Nebeneffekt wirkt man mit den Ventrals auch nicht mehr ganz so „pilzig“.

Die Verarbeitung

Von der Verarbeitung her ist der Ventral Air einfach nur als hervorragend zu bezeichnen. Die Verbindung der Schale zum EPS-Kern ist einwandfrei gearbeitet und auch die Bänder, welche unter dem Ohr keine Verstelloption haben, sondern in einem weiten Dreieck fest gefasst sind, sind einwandfrei eingepasst und verlaufen an der richtigen Stelle. So kennt man das von POC und so darf man das für die Preisklasse auch erwarten. An Verstellmöglichkeiten bietet sich neben der klar gerasterten und auch mit Langfingerhandschuhen gut bedienbaren Weitenverstellung, die Regulierung des Gurtbands unter dem Kinn und die Möglichkeit den hinteren Bereich des Haltesystems über seine Verbindung zur Schale in vier Stufen in der Höhe zu verstellen. Damit hat man beste Chancen, den Ventral Air auf seinen Kopf anzupassen. Mir zumindest passt er wie angegossen. Das liegt zum großen Teil aber sicher auch am Spin-Polster.

Das Spin-Polster ist etwas fester, als normale Helm-Polster und auch etwas dicker. Es soll, daher der Name (SPIN = Shearing Pad inside), im Sturz-Fall eine Verdrehbewegung des Helms gegenüber dem Kopf zu lassen, ohne dass der Helm selbst verrutscht. Ein ähnlicher Ansatz also, wie er von MIPS bekannt ist, jedoch ohne die Einbußen bei der Belüftung und dem manchmal etwas sperrigen Sitz bei mit MIPS ausgerüsteten Helmen. Durch das feste, dicke Polster schmiegt sich der Helm ideal an den Kopf und verursacht auch weniger „Tragemarken“, wie wir sie alle nach einer längeren Radfahrt kennen.

Das Highlight

Eines meiner persönlichen Highlights und gleichzeitig eine Verbesserung gegenüber den älteren POC-Helmen ist die neue Brillenhalterung in den vorderen, seitlichen Helmöffnungen. Sie ermöglichen es Vielschwitzern wie mir, die Brille bergauf ab zu nehmen und in den Helm zu stecken. Das hatte zwar auch mein Octal schon, nur fand ich hier nie einen festen Halt für meine Oakley Brille. Beim Ventral sitzt die Brille absolut wackelfrei und sicher.

Der Ventral Air Spin im Praxistest

Der Praxistest erfolgte gleich in Oudenaarde auf der Jedermann-Version der Flandernrundfahrt. An die Belüftung stellte das dortige Wetter mit 7-12° keine besonderen Ansprüche, dafür konnte der Helm aber seinen Sitz auf den je nach Steigung hoch- bis niederfrequent schüttelnden Kopfsteinpflasterpassagen unter Beweis stellen. Das meisterte der Ventral Air mit Spin hervorragend. Der Sitz war völlig sicher und auch sonst verhielt sich der Helm unauffällig. Am Helm lag mein miserables Abschneiden bei der diesjährigen Runde sicher nicht… Immerhin hat am Sonntag bei den Profis ein Fahrer mit dem Ventral gewonnen!

Es zeigte sich aber, dass die angegebene Kopfgröße von 61 cm für die „L“-Größe wohl etwas größer ausfällt, denn normalerweise brauche ich Helme mit 62er Kopfumfang. Beim Ventral Air bekomme ich aber problemlos noch ein Buff-Tuch (bei unter 10° und etwas Wind in Flandern unbedingt empfehlenswert) unter den Helm und habe trotzdem keine Platz-Probleme. Wieder zurück in Deutschland zogen die Temperaturen an und nun konnte der Helm sein volles Können unter Beweis stellen. Der heißeste Juni seit beginn der Wetteraufzeichnungen ist zwar auch Grund zur Besorgnis, stellte aber für diesen Test die perfekte Grundlage dar. Bei der Skoda-Velotour, der Jedermann-Version von Eschborn-Frankfurt konnte ich alle aerodynamischen Vorteile nutzen und den Sprint meiner Gruppe um die goldene Ananas (oder Platz 147) gewinnen. Dank kühlem Kopf konnte ich eine Attacke 500 m vor dem Ziel erfolgreich umsetzen und der „sprintenden Meute“ ein Schnippchen schlagen. Kühlen Kopf behalten und aerodynamisch von Vorteil – das ist der Ventral Air Spin!

Fazit

Überhaupt habe ich praktisch keine Temperaturprobleme unter dem Helm und auch aerodynamisch fühlt sich der Helm sehr gut an. Mit 10 km/h an Rampen bergauf oder mit 60 km/h bergab – alles problemlos. Aerodynamik zu fühlen ist natürlich so eine Sache, aber ein Windkanal steht mir leider nicht zur Verfügung. Ich merke zumindest weder in der Anströmung von vorn und erfreulicherweise auch nicht bei Seitenwind oder einer Drehung des Kopfes merklichen Winddruck am Helm. Letzteres ist wirklich auffällig im Vergleich zu anderen Helmen. Der Ventral Air ist da richtig „aalglatt“. Ansonsten macht er einen angenehm unauffälligen Job. Ob er mich schneller macht, weiß ich nicht. Auf jeden Fall macht er das Radfahren angenehmer und ist daher meine Empfehlung für alle Rennradfahrer, die einen gut belüfteten, trotzdem noch aerodynamischen und nicht zu schweren (268 g in Größe L) Helm suchen. Die eierlegende Wollmilchsau halt.

Daniel Gronert - Teamleitung Ladengeschäft Kronberg
Ein Beitrag von: Daniel Gronert – HIBIKE Teamleitung Ladengeschäft Kronberg

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