beitrag zipp 302

Zipp 302 Carbon Rennradlaufrad – Alleskönner zum fairen Preis

Der Name Zipp steht bei Radfahrern in erster Linie für hochinnovative Rennradlaufräder. Viele träumen davon, ihr Rad mit einer solchen technischen Wunderwaffe aufzurüsten und bisher blieb das leider meist ein Traum, denn die technische Vorreiterschaft der „Speed Weaponry“ aus Indianapolis hat nun mal ihren Preis. Zum Sommer 2017 hat Zipp nun eine „kleine“ Version des beliebten Allrounders 303 auf den Markt gebracht, der auf den Namen Zipp 302 hört, die sich preislich deutlich unter diesem ansiedelt und für unter 1400 EUR ans Rad kommt.
Ich hatte die Ehre und durfte den 302 in der Variante für Felgenbremsen auf die Probe stellen. Meine Eindrücke gibt es hier im Test.

Zipp 302 Vorstellung

Der 302 ist ein Vollcarbon Clincher, der sowohl in einer Version für Scheibenbremsen als auch für klassische Felgenbremsen und natürlich mit Freilaufversionen für Shimano, Sram als auch Campagnolo erhältlich ist. Eine Version für Schlauchreifen gib es jedoch nicht.

Im Lieferumfang finden sich ein Felgenband, Schnellspanner und eine Ventilverlängerung je Laufrad, jedoch keine Bremsbeläge.

Form & Maße

Die wie bei den „großen Brüdern“ in Indianapolis handgefertigte Vollcarbonfelge, hat die selbe, bauchige Form, wie man sie aus der „Firecrest“-Serie kennt und ist 45 mm hoch. Die Höhen um 40 mm sind sehr gute Allrounder, die Aerodynamik mit Kletterfähigkeit und geringer Seitenwindanfälligkeit verbinden.

An der Bremsflanke messe ich eine Breite von stattlichen 24,2 mm, die breiteste Stelle der Felge ist sogar 26,4 mm breit. Dadurch, dass die Felge zum Reifen hin wieder schmaler wird, wird der Reifen selbst in die aerodynamische Form der Felge integriert, was natürlich die Gesamtaerodynamik des Laufrades verbessert. Innen misst die Felge „klassische“ 16,6 mm.
Diese Maße sind praktisch identisch zum 303 und auch das Gesamtgewicht von 1663 g lt. meiner Waage inkl. Felgenband (Werksangabe 1645 g) liegt nur knapp über dem Gewicht des 303er Firecrest Satzes von 1625 g (Werksangabe).

Was unterscheidet den Zipp 302 nun vom 303?

Zunächst muss man sagen, dass es vom 303 mittlerweile auch zwei Versionen gibt. Zum Firecrest-Modell kam 2016 eine Top-Version namens NSW hinzu, wobei es sich um die neuste Entwicklung mit nochmals überarbeiteter Oberflächenstruktur, Lasergrafiken, usw. handelt, die aber auch gut zwei mal so viel Euros vom Konto zieht, wie die Anschaffung des 302. Der weiterhin erhältliche 303 Firecrest ist da „nur“ etwa 60% teurer. Also beziehe ich mich in meinem Vergleich auf die preislich nähere Firecrest-Version.

Oberfläche

Zuerst fällt die Oberfläche der Felge auf. Diese ist beim 302 glatt und weist keine „Golfball-Dellen“ aka Dimple auf. Das sieht zwar nicht so „freakig“ aus, gefällt mir persönlich aber optisch besser, denn sie schimmert toll im Sonnenlicht. Außerdem lässt sie sich so auch leichter reinigen als das Dimple-Porenprofil, was für einen Laufradsatz, der sich auch für Einsätze im Cyclocross und bei den Frühjahrsklassikern eignen soll, sicher nicht unerheblich ist.

Naben & Speichen

Auch bei den Naben wird ein Unterschied gemacht. Das auf die Namen 76/176 (Vorder- und Hinterradnabe) hörende Set ist im Gegensatz zu den „großen“ 77/177 auf klassische J-Bend-Speichen statt Straightpull ausgelegt und an der Vorderradnabe hat man beim 302 ein Speichenpaar mehr (20 statt 18) im Gebrauch. Hinten kommen 24 Speichen zum Einsatz. Bis auf den Kopf sind die Speichen allerdings wieder gleich. Es werden stabile CX-Sprint-Messerspeichen der belgischen Marke Sapim verwendet. Diese sind bei den Felgenbremsrädern vorn radial und hinten 2-fach gekreuzt verbaut, bei den Disc-Rädern vorn und hinten 2-fach gekreuzt. Die Naben der Scheibenbremsversionen arbeiten übrigens mit Shimano´s Centerlock-Standard und sind auch für Steckachsen kompatibel.

Weitere Eindrücke

Im Gegensatz zum 303 ist die Felge des 302 leider nicht tubeless-fähig. Die meisten Rennradfahrer nutzen diese Option zwar sowieso nicht, aber ich erwarte, dass sich das in den kommenden Jahren durchaus ändern kann.
Das war´s aber an Unterschieden auch schon, wenn man natürlich vom Typenschild-Aufkleber absieht.

Überhaupt macht die Verarbeitung einen äußerst hochwertigen Eindruck. Der werkzeugfrei zu wartende Freilauf mit drei Klinken und die sichtbaren, unterschiedlichen Carbonlagen an der Felgenwand und im Bereich der Speichennippel zeigen schon, dass hier Know-How drin steckt. Besonders die merklich rauhere und sich auch farblich abhebende, graue Bremsflanke beim Felgenbremssatz, den ich testen durfte vermittelt schon allein durch ihre Äußerlichkeit mehr vertrauen, als eine glatte Fläche. Auch diese „Spezialität“ von Zipp, wurde in den „Carboneinsteiger“ integriert.

Insgesamt tritt der 302 gar nicht wie ein „kleiner Bruder“ oder ein „Einsteiger“ auf, sondern präsentiert sich als hochwertiger Laufradsatz, der viele neidvolle Blicke auf sich zieht.

Zipp 302 im Test – Wie fährt sich das Schmuckstück?

Ich war SEHR gespannt, als mir der Satz zum Testen angeboten wurde. Ich bin leider kein Bergfloh und bringe fast dreistellige Kilos auf die Waage. Zum Glück ist als „Ausgleich“ auch etwas Dampf in den Beinen. 🙂 Für meine Laufräder bedeutet diese Kombi natürlich viel Arbeit. Ist der 302 also stabil genug für mich? Das Gewichtslimit gibt Zipp mit 115 kg Fahrergewicht an. Das passt also nominell, will aber noch nichts bedeuten, denn ich hatte auch schon Laufräder, die eine ähnliche Freigabe hatten, aber trotzdem zu viel „Eigenleben“ hatten, um sich damit dauerhaft anzufreunden. Das merkt man besonders in schnellen Kurven. Fühlt sich das Laufrad hier vorn oder hinten weich an, verliert man Vertrauen und damit viel Zeit.

Etwa 500 km habe ich nun auf Touren und RTFs mit dem Zipp 302 abgespult. Ein Rennen kam so spät im Jahr leider nicht mehr ins Programm, aber im Rennen achtet man auch auf andere Dinge, als sein Material. Von glatten Straßen bis zu rauhen Plattenwegen in allen möglichen Steigungs- und Gefällegraden war alles dabei, was das Rhein-Main-Gebiet für Rennradler zu bieten hat.

Was soll ich sagen – wir waren sofort Freunde! Der Rundlauf ist über jeden Zweifel erhaben, der Freilauf schnurrt deutlich hörbar, aber nicht aufdringlich und die Fahreigenschaften sind in jeder Hinsicht super! Zwar bekomme ich die Laufräder im Wiegetritt an Steilstücken wie dem Ruppertshainer Berg ganz leicht zum Schleifen an der vorderen Bremse, aber die Steifigkeit ist mehr als ausreichend. Besonders auf winkligen Abfahrten mit vielen Richtungswechseln vermittelt der Satz eine hohe Sicherheit und ich traue mir deutlich mehr Schräglage zu, als mit jedem anderen Laufrad, dass ich bisher im Rennradbereich gefahren bin. Auch auf der Bremse ist der Zipp eine Macht. Ein besser bremsendes Carbon-Rad bin ich noch nicht gefahren und subjektiv kommt er da ganz, ganz nah an meine Alu-Räder ran. Das gilt sowohl für die reine Bremskraft, als auch für die Dosierbarkeit. Carbon-Clincher haben hier oft einen Schwachpunkt, da die (über den Felgenboden hinaus ragenden) Bremsflanken sich an den Clincher-Haken oft unter dem Druck der Bremse verwinden und so einen undefinierten Druckpunkt ergeben. Das robuste Felgenhorn des 302, in Verbindung mit der rauhen Bremsfläche, eliminieren dieses klassische Carbon-Clincher-Problem vollkommen! Eine richtige Regenfahrt blieb mir zum Glück erspart, aber eine Runde auf nassen Straßen in der Gruppe mit viel Spray auf den Bremsflanken zeigte auch hier ein tadelloses Bremsverhalten. Hier ist der Unterschied zum Alurad zwar deutlicher spürbar, aber noch weit von der kritischen Grenze entfernt, bei der man sich unsicher fühlen würde. Schließlich weiß man als Fahrer ja, dass einerseits die Bremswirkung im Nassen generell schlechter ist und der Reifen selbst nicht so viel Power auf die Straße bringt und geht somit vorsichtiger zu Werke. Ich hatte übrigens original Zipp-Beläge montiert.

Aerodynamik, Beschleunigung & Seitenwind

Speed und Aerodynamik sind als Fahrer sehr subjektiv zu beurteilen. Schließlich fährt man ja in der Natur Rad und hat weder exakte Messgeräte noch Laborbedingungen vorliegen. Das Zahlenspiel überlassen wir also Herstellern und Magazinen.
Der Zipp 302 ist etwa 100 g schwerer als mein sonst verwendeter Laufradsatz, der allerdings auch eine geringere Höhe und somit per se schlechtere Aerodynamik aufweist. Für seine hohe Felge lässt sich der 302 dennoch rasant beschleunigen und auch auf Kletterstücken hatte ich nicht das Gefühl, langsamer unterwegs zu sein. Genauso wenig habe ich mich auf den Rollerstücken, in denen der 45 mm hohe Laufradsatz sicher seine Vorteile hat, deutlich schneller gefühlt oder neue Strava-Bestzeiten aufgestellt, aber zum Saisonende hatte ich auch sicher nicht mehr den Dampf der Hochsaison in den Beinen.

Was sich aber objektiv angenehm bemerkbar machte, war die geringe Seitenwindanfälligkeit. Zwar spürt man etwas Druck im Lenker bei Seitenwind, aber selbst bei böigen Herbst-Verhältnissen und hohen Geschwindikeiten mit wechselnd hohem Bewuchs neben der Straße, kommt man nicht ins Flattern oder hat irgendwelche Handlingprobleme. Das hatte ich schon ganz anders erlebt und ist für mich kein Nice-to-have, sondern ein wichtiger Punkt, denn das bedeutet aktive Sicherheit! Wer findet sich schon gern unwillentlich einen Meter weiter rechts im Graben oder links mitten auf der Fahrbahn, vor einem Auto, wieder?
Auf einer Schulung Anfang des Jahres hatte ich viel Theorie zu Felgenformen und der Vermeidung von negativen Seitenwindeinflüssen durch die bauchigere Felgenform gehört. Schön, wenn man das in der Praxis als Fahrer auch selbst erleben kann!
Akustisch sind die Räder übrigens auch sehr ruhig. Man hört praktisch keine Windgeräusche, was ich ebenfalls als Indiz für eine gelungene Aerodynamik deute.

Fazit Zipp 302

Der Zipp 302 ist ein klassicher Allrounder für praktisch alle Einsatzzwecke. Vom windigen Flachland (wo Fahrbarkeit bei Seitenwind mehr als theoretische Aerodynamik zählt), über hügeliges und rauhes Klassikergelände wie natürlich auch dem in Deutschland weit verbreiteten Mittelgebirge, hat er seine Stärken. Aber auch im Hochgebirge traue ich dem 302 einiges zu. Man kommt mit dem Laufradsatz bestimmt gut hoch, denn wirklich schwer ist er ja nicht und aufgrund seines verlässlichen Handlings in Kurven und auf der Bremse holt er bergab einiges wieder raus.
Ich habe den 302 als robusten und zuverlässigen Laufradsatz kennengelernt und konnte ihn selbst mit meinem Kampfgewicht nicht an seine Grenzen bringen. Daher hätte ich auch keine Bedenken bei einem Einsatz bei einem meiner geliebten Frühjahrsklassiker und auch am Crosser könnte ich mir den Radsatz gut vorstellen.

Trotzdem es sich um den günstigsten Vollcarbon-Satz von Zipp handelt, hat man keinesfalls den Eindruck, auf einem veralteten Vorgängermodell oder einem lieblos zusammen geklatschen Billigteil unterwegs zu sein, das nur Markennamen-Nerds kaufen. Dafür wären 1400 EUR auch definitiv zu viel Geld. Im Gegenteil. Zipp hat hier die wichtigsten Techniken der Oberklasse, die ein sehr gutes Laufrad ausmachen, für die 302-Felge übernommen. Ein paar in der Fertigung teure Topfeatures, mit gringeren Effekten, hat man eingespart – so etwa die Dimple-Oberfläche oder Straightpull-Naben. Daraus ist somit ein Laufradpaket entstanden, bei dem sich die (in dieser Preisklasse etablierte) Konkurrenz weit strecken muss! Echt gut gemacht Zipp!

Daniel Gronert - Ladengeschäft Kronberg
Ein Beitrag von: Daniel Gronert – HIBIKE Ladengeschäft Kronberg im Taunus

7 thoughts on “Zipp 302 Carbon Rennradlaufrad – Alleskönner zum fairen Preis

  1. Hallo!

    Gibt es eine Empfehlung für gute Bremsbeläge für den Zipp 302?
    Da wo Preis/Leistung/Qualität stimmt?

    Mit freundlichen Grüßen
    Mario

    1. Hallo Mario, wir haben die Laufräder mit den originalen Bremsbelägen von Zipp getestet. Diese können wir dir wärmstens empfehlen. Viele Grüße, dein HIBIKE Team

    1. Hallo Mario, es handelt sich hier um eine Carbon-Bremsflanke. Wir hoffen, wir konnten Dir damit weiterhelfen? Viele Grüße, Dein HIBIKE Team

  2. Sehr interessanter Beitrag! Ich spiele schon lange mit dem Gedanken mir die Zipp 303 zu holen. Ich bin auf einem Cyclocross unterwegs. Nun bin ich heute über 302er gestolpert und bin doch recht begeistert. Nun stellt sich mir doch die Frage, ob der Laufradsatz explizit zum CX-Einsatz geeignet ist? Gibt es da offizielle Angaben des Herstellers? Auf der Seite von Zipp habe ich davon nichts direkt lesen können.

    1. Hallo Leon,

      Schön, dass dir unser Beitrag gefällt. Die Empfehlung für auch Cyclocross basiert auf meiner persönlichen Erfahrung mit dem Testrad und meinem Verständnis von Cyclocross. Zipp beschreibt das Laufrad lediglich als „tough enough to survive the Spring Classics or the road less traveled“. Eine offizielle Freigabe oder ein Verbot des Einsatzes gibt es seitens des Herstellers nicht. Bis auf die etwas schmale Felgeninnenbreite (muss man sehen, wie die Reifen hier sitzen) hätte ich keine Bedenken, den 302 auch zum Crossen einzusetzen.

      Viele Grüße,
      Daniel

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