Letzte Woche erreichte uns der mit Spannung erwartete neue Leichtschlauch von Schwalbe. Dank eines neuen Materials wiegt er deutlich unter 100 g und das angeblich ohne Einbußen bei Haltbarkeit und der Luftdichtigkeit. Kann das sein und hält das denn? Das sind die häufigsten Fragen in allen Diskussionen um den neue „Wunderschlauch“. Ein Grund das mal zu testen!
Die erste Begegnung mit dem neuen Schlauch macht einen hochwertigen Eindruck. Schwarze Schiebeverpackung in Streichholzschachtel-Art und die ungewöhnliche, blaue Farbe des Materials heben ihn schon deutlich von seinen älteren Brüdern aus Butyl ab. Das Erscheinungsbild passt also schon mal zum Preis von 19,90 EUR.
Als Erstes kommt natürlich die Waage zu Einsatz. 76 g gibt Schwalbe für die 29er-Version an. Das ist eine Ansage gegenüber dem bisherigen Extralight-Schlauch SV19A mit 140 g oder gar dem Stabilitätsmeister SV19 mit 190 g.
Unsere Waage blieb bei beiden gewogenen Exemplaren bei 71 g stehen! Eigentlich ist man ja bei Bike-Teilen schon froh, wenn das Gewicht nicht mehr als 10% über der Werksangabe liegt. Da ist das natürlich ein freudige Überraschung und im Vergleich zu den ebenfalls nachgewogenen Gewichten des SV19A (143 g) und SV 19 (219 g) eine echte Ansage. Gegenüber dem 19A oder auch einem 26“-Latex-Schlauch (ca. 130 g), den viele Racer im 29er-Bereich verwenden, ist das eine Gewichtsersparnis von gut 50% und eine Reduktion der rotierenden Masse um 120 g. Das ist eine echte Hausnummer, wenn man die Relevanz der rotierenden Masse für die Beschleunigung bedenkt.
Gewichtsvergleich 29″ Schläuche
| Schlauch | Werksangabe | HIBIKE Waage |
|---|---|---|
| Schwalbe EVO Tube | 76 g | 71 g |
| Schwalbe Extralight Tube | 140 g | 143 g |
| Schwalbe SV19 | 190 g | 219 g |
Gegenüber einem Einsatz mit Dichtmilch (60-80g verwende ich pro Reifen) und Ventilen (ca. 15 g) spart man sogar auch noch etwas Gewicht und man spart sich die Sauerei beim Reifenwechsel.
Aber ist die Fahrleistung auch vergleichbar gegenüber dem sehr beliebten Milch-System? Schließlich beschleunigt es nicht nur hervorragend, sondern man kann gegenüber Schläuchen mit deutlich weniger Druck durchs Gelände ballern und der Reifen schmiegt sich konkurrenzlos gut an Unebenheiten aller Art an. Das sollte sich im Fahrtest zeigen.
Zuerst aber nochmal zur Technik:
Wie (ver-)baut man so einen „Wunderschlauch“ und was ist zu beachten?
Für den Evo-Tube hat Schwalbe in Zusammenarbeit mit dem Chemie-Riesen BASF ein neues Material entwickelt, welches auf den schönen Namen „Aerothan“ hört. Das Ziel war es, ein leichteres Material zu entwickeln, welches mindestens die gleiche Luftdichtigkeit und Stabilität wie Butyl ermöglicht. Das ist eindrucksvoll gelungen, allerdings auf Kosten zweier Einschränkungen: Aerothan ist im Vergleich zu Butyl deutlich anfälliger für Hitze. Daher kommen nur Fahrer von Scheibenbremsen in den Genuss des neuen Materials. Die Verwendung mit Felgenbremsen ist untersagt. Das ist auch der Grund, weshalb Schwalbe keine Version für Rennräder herstellt.
Die andere Einschränkung kommt dadurch zustande, dass das Material sich nur ausdehnen, jedoch nicht auf seine Ausgangsgröße zurück dehnen kann. Entsprechend sollte man bei der einmal ausgewählten Reifengröße bleiben. 
Ein Wechsel auf einen größeren Reifen funktioniert vielleicht in der Theorie noch, ein Wechsel auf eine kleinere Größe auf gar keinen Fall, da der Schlauch dann in Falten im Laufrad liegen würde. Prinzipiell freigegeben ist der Schlauch für Reifendimensionen zwischen 54 und 62 mm, was in der Schwalbe-Welt für Reifen von 2,1-2,4 Zoll gilt. Da die Maß- und Realangaben von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedlich sind, ist hier vielleicht nicht der letzte Millimeter entscheidend.
Ein interessantes Detail ist noch, dass auch der Ventilschaft aus Aerothan gefertigt wird. Man erhält ein durchsichtiges und natürlich sehr leichtes Ventil und – gut fürs Recycling – nach Ausbau des Ventileinsatzes einen Schlauch aus nur einem einzigen Material.
Montage
Die Montage selbst unterscheidet sich kaum von der eines normalen Schlauches, außer dass man penibler als bisher auf den geraden Sitz des Ventils achten sollte und die Form des zur Montage leicht aufgepumpten Schlauches sich von anderen Schläuchen unterscheidet.
Ich habe den Schlauch in Specialzed Fast Track-Reifen der Größe 29×2,0 (51-622) montiert. Diese fallen von der tatsächlichen Dimension etwas größer aus, als ein 2,1er (54-622) Schwalbe Rocket Ron und sollten deshalb ins Maß der Schläuche gut passen.
Jetzt endlich ab ins Gelände!
Leicht geht es voran. Das war nicht anders zu erwarten bei einer Gewichtersparnis von rund 350 g durch den Wechsel der Schläuche und Reifen. Aber was taugt der Schlauch im Gelände?
Kann ich ihn mit dem gleichen Druck wie ein Reifen mit Milch fahren und wie gut arbeitet der Reifen?
Das Testgelände für meine 2-stündige Ausfahrt waren meine Lieblingstrails im Taunus zwischen Fuchstanz und Eppstein. Aufgrund der feuchten Witterung ließ sich nicht alles so rabiat fahren, wie ich es gehofft hatte, ich habe aber keine Wurzel und keinen Stein ausgelassen, um den Schlauch zu testen. Da ich selbst 0,1t Gewicht mitbringe und ein Hardtail nun auch eher pannenanfällig an der Hinterachse ist, als ein Fully, hatte der Schlauch schon was zu leisten.
Ich fuhr vorn 2 bar und hinten 2,2 bar und meine auch ein paar Durchschläge auf die Felge gespürt zu haben. Ganz sauber ließ es sich gestern nicht überall fahren. Letztlich blieb der EVO-Tube davon völlig unbeeindruckt. Schwalbe gibt an, dass die Resistenz gegen Durchstiche und Snakebites identisch zum Butyl-Pendant ist. Das trifft soweit zu, zumindest liegt die Durchschlagrestistenz nicht darüber. Der Durchstichtest blieb mir zum Glück erspart. Hier warten wir mal auf die Labortests der einschlägigen Magazine.
Der Reifen arbeitet auch sehr gut im Glände und bot den feuchten Umständen entsprechend sehr guten Grip in allen Fahrsituationen.
Letztlich ist das Ergebnis nicht revolutionär, aber unauffällig. Unauffällig ist hier allerdings durchweg positiv zu verstehen, denn was erwarten wir von einem Schlauch? So leicht wie möglich, aber bitte keine Problem machen – genau das macht der Schwalbe EVO-Tube. Bisher also voll empfehlenswert! Mal sehen, ob das so bleibt – ich werde berichten.
Update 28.06.2016
Schwalbe hat den thermoplastischen Kunststoff AEROTHAN®, der bei den EVO Tubes zum Einsatz kommt, zusammen mit BASF weiterentwickelt. Die neue Version des Schlauchs wird erst in der Saison 2017 verfügbar sein. Infos: www.schwalbe.com
Enttäuscht!!
Gleich bei der erste Fahrt mit dem Rennrad ging ein sehr dünner Draht durch Mantel und den AEROTHAN Race Tube
Ich hatte ihn mir vor allem wegen der besseren Pannensicherheit gekauft
Hallo Werner,
dass dir der Aerothan Schlauch so schnell kaputt gegangen ist, ist natürlich schade. Bei solch spitzen Einstichen, wie von dir beschrieben, kann leider kein Schlauch wirklich standhalten. Hier hätte ein Tubeless-Aufbau des Reifens eventuell geholfen, jedoch ist auch das nicht garantiert. Insofern: Kopf hoch und dem Aerothan nochmals eine Chance geben! 😉
Beste Grüße,
Nick- HIBIKE-Marketing
Gibt es eigentlich einen verbindlichen Erscheinungstermin für den neuen Wunderschlauch?
Schwalbe nennt noch keinen genauen Termin, aber schreibt in einer Pressenachricht von Ende Juni: „…so haben wir uns […] entschlossen, den Auslieferungsstart für den optimierten EVO TUBE auf die nächste Saison zu verschieben„.
Leider haben wir im Moment auch keine genaueren Infos.
Viele Grüße aus Kronberg
Elias
Luftnummer oder Null-Nummer? Originalton Schwalbe:
Die Optimierung verlangt im Prozessablauf signifikant engere Toleranzen, die in der Serienproduktion stabil realisiert sein müssen. Wir gehen davon aus, dass wir die entsprechenden Parameter kurzfristig einrichten können, ein Zeitfenster bis zu einer gesicherten Lieferung ist aber noch nicht darstellbar. Deshalb können wir die Markteinführung aktuell nicht verlässlich zusagen und so haben wir uns nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente entschlossen, den Auslieferungsstart für den optimierten EVO TUBE auf die nächste Saison zu verschieben.
Die 2 x 19,99 waren möglicherweise zu früh investiert….
Bestellt habe ich glücklicherweise noch nicht, allerdings stimmt mich die lange Verzögerung nicht gerade zuversichtlich, dass der neue Schlauch den hohen Erwartungen gerecht wird.
Satz nur zum Reifen… (sorry, Tablet streikt 😉 )
Es war doch als Bericht über den neuen Schlauch beschriftet… was macht dann die Angabe einer Ersparnis von 350g, indem man auch gleich die Reifen mittauscht? Und in den Fahreigenschaften sogar ei Satznurzum Reiden?
ist das nun ein Bericht über nen Schlauch, oder Schwalbe-Werbung? 😉
Hallo Martin,
die Angabe des eingesparten Gesamtgewichts dient zur Relativierung der Fahrleistungen. Ich habe Reifen und Schläuche zum selben Zeitpunkt gewechselt, denn es war nicht sinnvoll, die Schläuche bei 15° noch mit der Winterbereifung zu fahren. Der Reifen selbst (Specialized Fast Track) ist für den Test eines Schlauches nur bedingt relevant. Wir haben aber extra die Schläuche gewogen und entsprechende Angaben zur Gewichtseinsparung gegenüber den bisher üblichen Systemen gemacht. Ein Schlauch kann halt am Rad nicht viel mehr bewirken, als unauffällig zu funktionieren und dabei so leicht wie möglich zu sein. Er hat kein Profil oder macht sich sonst relevant im Fahrbetrieb bemerkbar. Daher war es für diesen Test einfach wichtig zu sehen, ob er trotz dem sensationelle Gewicht hält. Das tat er und tut es übrigens immer noch.
Ja, Schwalbe-Werbung ist der Bericht (natürlich) irgendwie schon, denn schließlich geht es hier um ein Produkt von Schwalbe, welches wir erfolgreich getestet haben – wobei das aber nicht die Intension hinter diesem Artikel war. Wäre ich mit dem Test nicht zufrieden gewesen, hätte ich diesen Bericht auch nicht so positiv geschrieben.
Viele Grüße aus Kronberg,
Daniel