Was soll ich sagen, ich und der Berg, wir hatten da noch „unfinished business“! Also ging es auch dieses Jahr in die Provence mit dem Rennrad.
…Mont Ventoux die zweite
Ihr erinnert euch vielleicht an meine ersten Reisebericht, Rennradfahren in der Provence. 375 Tage später, etwas besser trainiert, hoch motiviert und besseres Wetter… so sieht es dieses Jahr aus!
Ankommen und die ersten Tage genießen
Als Mensch ohne Auto habe ich immer das Problem einen Weg dahin zu finden, wo keine Bahn fährt. Aber auch dieses Mal hatten wir Glück und fanden einen Weg in die Provence – und das in ausgesprochen netter Gesellschaft, Danke dafür nochmal!
War das Wetter das letzte Jahr eher durchwachsen bis mies, präsentierte sich die Provence dieses Mal mit PERFEKTEM Radwetter, sonnig warm und wenig Wind!
Der erste Tag war eine leichte, schöne Ausfahrt, wellig mit Cappuccino zur Mittagszeit, genau das Richtige, um sich kennenzulernen – und langsam auf Urlaub umzuschalten! Purer Genuss bei diesem Wetter in dieser Gegend.
Erstmal zum Aufwärmen drum herum
An Tag 2 lockten die „schnellen“ Jungs und Mädels mit einer verlockenden Runde um den Mt Ventoux, das heißt: Bedoin, Gorge de la Nesque, Sault, dann über Aurel, Savoillan und Brant zurück zum Ausgangspunkt Malaucene.
Da ich dieses Mal von der Gorges keine Fotos gemacht habe, hier zwei Archivbilder vom letzten Mal, nur, dass der Himmel 2017 blauer war.
Und lecker Essen gab’s beim Bäcker.
Ok , nicht nur Süßkram..…
Nach der Mittagspause und dem obligatorischen Flaschen-Auffüllen am örtlichen Brunnen, ging die Tour weiter an den Hängen der „le Toulourenc“ entlang immer schön hoch und runter, so wie wir Radler es mögen, meistens!
Den Schlusspunkt setzte ein paar Hügelchen und Sträßchen, die einem den Rest gaben, schön zäh und sonnig-heiß.
Mit großem „Hallo“ wieder am Haus angekommen, beschlossen wir: Morgen Cappuccinorunde!
Nach dem Berg ist vor dem Berg… ist einer der üblichen Sprüche und als Vorbereitung auf den Mount Ventoux ließen wir es dann folglich am nächsten Tag etwas ruhiger angehen.…
Aber dann war der Tag da…heute geht es rauf auf den Mt. Ventoux!
Der Berg bleibt nun mal wo er ist, also… müssen wir zu ihm hin, soweit so gut.
Heißt, früher aufstehen und früher los fahren, denn es war warm angesagt, richtig warm. Also machten wir uns auf den Weg in Richtung Berg! Eigentlich könnte man den direkten Weg von Malaucene hoch fahren, aber wegen Bauarbeiten war dies ungünstig, also nahmen wir die klassische Route über Bedoin, Tour de France Style und wahrscheinlich nicht soo schnell.
Anfangs auf verkehrsreicher Straße, dann Richtung Bedoin über den Col de la Madelaine, wieder ruhiges bzw. fast autofreies Radeln. Kurz hinter Bedoin, dann neben all den Schildern der Hinweis, der einem ins Gesicht sprang „Berg… da lang“, da wird einem direkt klar, was einen erwartet! Okay, das ist nun die Ansage für die nächsten Stunden, puh.
Auf dem Weg zum Mahnstein auf elitärem Boden
Anfangs rollen wir schön flach dahin, in die Richtung, wo uns hinten ein Berg anlächelt, er ist immer offensichtlich im Hintergrund.
Da der Berg nun mal da ist und Mann/Frau da hoch müssen, herrscht ein reges Treiben auf der Strecke.
Ohne Ende Radgruppen sind unterwegs, man meint auf einer Pilgerfahrt zum Berg der „Hors Catégorie“ zu sein. (Anstiege der Tour de France werden in Kategorie 1 bis 4, je nach Schwierigkeitsgrad klassifiziert. Die höchste Einstufung „Hors Catégorie“ (HC), zeichnet Anstiege aus, die über (!) der 4. Kategorie liegen, also als außerordentlich eingestuft werden.)
Vorfreude und Skepsis steigen auf jeden Fall! Wir gehen es vorsichtig an, denn jeder fährt für sich und sein Tempo. Ich sage Steigungprozente an und ernte böses schnauben, von vorne – wie am Feldberg.
Aber OK es ist „nicht“ wie unser Feldberg im Taunus, wenn ich ehrlich bin – Es ist besser, viel besser!
Ich fühle mich permanent angefeuert, auf solchem Boden zu radeln, alle waren da, alle haben versucht zu gewinnen: Dege, Froom, Porte, Roland der Spanier der andere Spanier und und und Ulle… und wir werden das auch schaffen!
Gut, dass wir hier viel Wald haben und so immer nur kurz die pralle Sonne abbekommen, denn wie schon anfangs erwähnt, es ist wahnsinnig warm!
Nach ca 15 km kurviger und kurzweiliger Auffahrt, erreichen wir nun das Chalet Reynard, sozusagen die letzte Tanke vor dem Gipfel. Flaschen nochmals auffüllen, kurz verschnaufen, sammeln, wir sind dem Ziel so nah!
Ab jetzt ist Schluss mit Wald und wir betreten, besser radeln, durch die so häufig besprochene Mondlandschaft des Mt Ventoux. Hier, wo meist der Mistral bläst und sich wenig Vegetation angesiedelt hat, herrscht heute eine friedliche, fast zahme Stimmung. Ein laues Lüftchen begleitet uns die letzten Kilometer zum Gedenkstein von Tom Simpson, der hier bei der Tour de France 1967 an einem Cocktail aus Amphetaminen, Betäubungsmitteln und Alkohol verstarb! An diesem Mahnstein halte nun auch ich inne, um seiner zu gedenken und meinen Obulus zu hinterlassen.
Der Blick ist phantastisch, das Wetter sensationell und es sind noch ca 1000 m zum Gipfel, von dem man sagt „du siehst ihn immer, aber er kommt nicht näher…“
Geschwafel! Zum Greifen nah ist er, nur noch ein paar Kurbelumdrehungen und einige Serpentinen entfernt …
Wir sind oben! Und offensichtlich recht zufrieden. Der Rest ist genießen und schweigen. Da steht jetzt auf der Rückseite MEIN Name.
Und nochmal der Turm, fast wie der Feldberg bei uns, Taunus, nur anders angemalt.
Abfahrt mit Hindernissen
Zeit für die Abfahrt, es ging in Richtung Malaucene, mit dem Nachteil, dass es sich um frisch geteerte und geschotterte Straße handelte.
Der dicke Schotter klebte wie Kaugummi an den Reifen und machte eine genüssliche Abfahrt zur Tortur. Es kulminierte bei einem der Mitfahrer soweit, dass sich der Schotter in der Bremse verklemmte und den Mantel aufschnitt, was natürlich zu sofortigem Luftverlust führte. Oje. Glücklicherweise konnte derjenige ohne Sturz anhalten, stand aber mit Ersatzschlauch und ohne Ersatzreifen da.
Nun zeigt sich aber, daß das Lesen von Radzeitschriften lohnt, denn mit Hilfe eines Powerbar Einwickelpapiers konnte ich den aufgeschlitzten Mantel so flicken, dass es für ihn eine Heimfahrt gab – und kein Heimschieben! Da staunten wir alle nicht schlecht – auch ich 😉
Der Tag klang dann mit einem kalten Hoegaarden Bierre blanche, ein leichtes belgisches Weizenbier, aus. Es war ein toller Tag!
Ausrollen lassen und den letzten Tag genießen
Kann es nach so einem Tag irgend eine Steigerung geben? Diesmal leider nicht, also am nächsten Tag war „leichtes Ausradeln“ das Richtige, was wir machen konnten.
Gruppe eins fuhr die Gorge, also Gorge de la Nesque, weil’s so schön war gerne noch einmal. Es ging Richtung Bedoin, dort erstmal Wasser tanken, nochmal aufs Töpfchen und weiter die Schlucht hoch, bis zur Aussichtsplattform, die unseren Wendepunkt markiert. Heute hatten wir Wind, kräftigen Wind, der Weg bergab war fast anstrengender als hoch, denn hinter jeder Ecke lauerte er mit einer Böe und schlug gnadenlos zu. Wie eine Wand war er da und man stand fast.
Also Gas geben und durch. Unten angekommen suchten wir uns eine sonnige Bank und warteten auf den Rest der Truppe. Dieses Mal kein Platten auf der Abfahrt, dafür ein verlorener Garmin, zu blöd! Dieser wurde aber am späten Nachmittag bei einer erneuten Begehung des Weges glücklicherweise gefunden, man darf auch mal Glück haben.
Durch den Wind bekamen wir einen schönen Wetterwechsel, der uns am nächsten Morgen mit Regen eindeckte, ein Ruhetag wurde eingeplant. Nix tun kann auch mal schön sein.
Das war es also schon wieder, unser zweiter Tripp in die Provence…
Fazit Mt. Ventoux
Ich kann zum Mt. Ventoux nur sagen „auf jeden Fall machen“! Die Provence ist ein absolut lohnenswertes Ziel.
Ist es schwer? Ja klar ist das schwer und anstrengend, es ist ein Berg der Hors Catégorie! Aber es ist machbar! Man sollte sich jedoch vorbereiten, dann geht es schon – er ist es wert.
Ich hoffe, ich konnte euch inspieren! Viel Spaß in der Provence 🙂