Als mir im Frühjahr die Magura MT6 HC zum Testen angeboten wurde, war ich sofort interessiert! Ich fahre zwar schon seit über 15 Jahren MTB im Bereich Trail, Marathon und XC und habe in dieser Zeit schon viele Bremsen unterschiedlichster Hersteller an meinen Rädern gefahren, eine Magura war allerdings noch nie darunter. Seit meinem letzten Bremsenkauf hat sich der schwäbische Hersteller durch den Einsatz neuer Materialien wie Carbotecture und neuen Konzepten wieder nach vorn gekämpft und meine Aufmerksamkeit erregt. Nachdem dieses Jahr für mich wieder mehr im Zeichen des Mountainbikings stehen soll und auch ein paar Wettkämpfe gefahren werden sollen, ist die MT6 HC ideal zur Unterstützung meiner Pläne.
Die MT6 HC ist wie in diesem Einsatzbereich üblich eine Zwei-Kolben-Bremse und zählt zur „Competition Series“ in der Magura-Produktpalette. Diese richtet sich vor allem an wettkampf-orientierte Fahrer im Marathon- und XC-Bereich. Die MT6 verzichtet dabei gegenüber dem Leichtbau- und Top-Modell MT8 SL auf einen Carbon-Bremshebel und ermöglicht eine werkzeugfreie Einstellung der Hebelweite. Durch Aluhebel und Stellrad bringt sie 25 g mehr auf die Waage, als die leichte Schwester. Auch wenn einige Leichtbauer hier die Nase rümpfen werden, soll sich die MT6 mehr als Allrounder auf den Trails und Touren – statt als reine Leichtbremse – verstehen und dafür dank dem, für die aktuelle MT-Serie gesteigerten Übersetzungsverhältnis, auch mehr Bremswirkung bereitstellen, als die Vorgängerserie. Soweit die Theorie.
Auspacken der MT6
Beim öffnen des Kartons blitzt mich mein neuer Stopper gleich freudig an. Der auf Hochglanz polierte Bremssattel macht ordentlich was her und auch der aus Carobtecture-Material gefertigte Bremshebel bietet durch das aufgeklebte Dekor und das zum Bremssattel identische Finish der Klemmschelle ein angenehm anderes Erscheinungsbild als das sonst übliche Schwarz und Stealth-Grau. Die herausstechende Optik mag vielleicht auf den ersten Blick nicht an jedes modern-schwarz-graue Rad (wie meines…) passen, setzt aber Akzente, an die man sich schnell gewöhnt.
Neben der Bremse selbst findet man das übliche Zubehör im Karton. Also Olive und Stützhülsen für das sicher notwendige Kürzen der Leitung, ein 25er Torx-Schlüssel und die Transportsicherung für die Bremse. Letzterer ist für ein Stück Plastik übrigens sehr funktional, denn er verhindert nicht nur ungewolltes Ausfahren der Bremskolben während dem Transport des Rades, sondern dient ebenso als Bleed-Block beim Entlüftungsvorgang und zur Verschleißbestimmung von Bremsbelag und Bremsscheibe.
Im umweltfreundlich aus Papier und ohne Plastik-Insert gehaltenen Karton befindet sich übrigens immer eine Bremse mit 220 cm Leitungslänge. Da der Hebel beidseitig montierbar ist und ein klassiche, als auch eine inverse Konfiguration der Bremshebel am Lenker zu lässt und viele modernen Rahmen durch innenverlegte Züge wieder längere Leitungen benötigen, kommt hier immer die gleiche Leitungslänge zum Einsatz. Diese wird man zwar in 99% aller Fälle kürzen müssen, aber das geht zum Glück ganz einfach. Dazu später mehr.
Waage
Natürlich (oder nicht?) legt man ein neues Bauteil auch auf die Waage. Für die ungekürzte Bremse bleibt diese bei 239 g stehen. Das sind zwar 14 g mehr als die Werksangabe von 225 g, was ich aber aufgrund der unrealistisch langen Bremsleitung für vollkommen akzeptabel halte. Damit ist sie sicher nicht die leichteste Bremse am Markt, aber ganz sicher auch nicht die Schwerste. Bei einem so sicherheitsrelevanten und für die Performance des ganzen Rades wichtigen Bauteils sind mir ein paar Gramm mehr aber ziemlich egal, sofern die Leistung des Teils stimmt.
Kombi mit Storm SL Scheibe
Für die MT6 HC schlägt Magura die Storm SL-Scheibe vor, von der ich zwei 180er montiert habe. Man kann auch die mit mehr Material auf der Reibfläche gefertigten Storm HC-Bremsscheibe zu Werke gehen, aber ich fand die gleichmäßig gelochte Optik der SL auch optisch ansprechender. Mit Scheibe und einem Adapter auf Post Mount 6″ kommt die Bremse übrigens auf 395 g, was in Summe für eine XC-Bremse ein gutes Gewicht ist.
Die Storm-Bremsscheiben sind übrigens ein echtes Argument für die Bremse, denn Magura verwendet nicht nur dickere Scheiben als andere Hersteller (2 mm statt 1,8 mm), sondern behandelt den Stahl auch so vor, dass sich die Scheiben durch Hitze nicht oder zumindest nicht spür- und vor allem hörbar verziehen. Entsprechen sorgt die Scheibe für mehr thermische Reserven der Gesamtbremse und einen ruhigeren Lauf.
Als Nächstes wird erst einmal am Weitenverstellrädchen rum gespielt. Dieses ist eindeutig markiert, in welche Richtung man drehen sollte, damit was passiert und, was ich viel wichtiger finde, es ist spürbar gerastert. So lässt sich definiert die Weite einstellen und wenn drei „Klicks“ vorhin doch zu viel waren, dreht man halt wieder einen „Klick“ zurück. Ob man einen solch ein Rädchen wirklich braucht muss sich jeder selbst beantworten, denn so oft verstellt man in der Praxis die Hebelweit nicht. Ich empfinde es als Vorteil, da immer dann, wenn einem auffällt, dass man die Hebelweiter verstellen muss oder will (Verschleiß der Beläge, Tagesvorliebe, etc.), das lästige Absteigen und Rauskramen des Werkzeugs entfällt. Ein kurzer Dreh am – auch mit Handschuh gut zu greifenden – Rädchen und weiter geht die Fahrt ohne Stop.
Montage
Als nächstes Stand die Montage an und da man zum Entlüften immer die Beläge aus dem Sattel nehmen und den Bleedblock einsetzen sollte, wurden diese erst einmal ausgebaut. Zuerst fällt auf, dass der Werkezeugansatz der Halteschraube ein 25er Torx ist. Das ist für so eine Schraube ungewöhnlich groß, aber jede (!) Schraube an der MT6 ist eine T25. Von der Hebelklemme über die Entlüftungsschrauben bis zu den Befestigungsschrauben am Adpater – alle! Ungewöhnlich aber clever!
Wer sich mit den aktuellen Bremsen von Magura noch nicht beschäftigt hat, wird nach dem Ausbau der Beläge erst mal eine Weile unter dem Tisch herum kriechen und nach der verlorenen Belagspreizfeder suchen. Diese ist bei Magura-Bremsen der aktuelle Generation überflüssig, da in der Mitte der Bremskolben ein kleiner Stabmagnet sitzt, der die metallenen Trägerplatten der Bremsbeläge anzieht. Auch clever und vor allem sehr praktisch! Man kann so mit geringerer Gefahr auf Teilverlust auch im Gelände (zum Beispiel auf dem Alpencross) die Beläge wechseln. Auch geht der Belagwechsel smart von der Hand, denn beim Wiedereinbau kann man die Beläge förmlich in die Zange werfen und sich am klickenden Geräusch erfreuen, wenn diese passend einrasten. Die Belaghalteschraube verzichtet übrigens auch auf nervige Klemmringe oder Splinte als Herausdrehsicherung. Hat die je jemand gebraucht? Ich kenne niemanden. Gesucht haben wir auch diese Teile sicher alle schon mal. Jetzt auch nicht mehr!
Das Entlüften selbst geht übrigens wirklich einfach
Bremshebel waagerecht stellen, Schrauben auf, Auffang- und Befüllspritze drauf, ein paar Mal die Bremsflüssigkeit in beide Richtungen durchdrücken – fertig! Im Detail erklärt das ein schönes Video, welche man sich auf www.magura.com ansieht. Das geht wirklich schnell und dank der Verwendung von „Royal Blood“-Hydrauliköl statt DOT-Bremsflüssigkeit braucht man sich auch keine Gedanken machen, wenn mal ein Tröpfchen daneben geht.
Die eigentliche Montage ist nichts Besonderes. Die Leitung kann selbstverständlich dank dem Banjo-Anschluss so vom Bremssattel abgeführt werden, wie man das möchte oder es eben zum Rahmen am besten passt. Bei der Befestigung des Sattels hat sich Magura nochmal Gedanken gemacht. Und zwar sitzt an den Schrauben auf dem Gewinde eine kleine Gummierung, die das Ausrichten des Bremssattels erleichtert, jedoch das Eindrehen der Schrauben erschwert. Anfangs habe ich mich gewundert, wie schwer das ging. Nach Entfernen eines Großteils der werksseitig übergroßzügig aufgetragenen Schraubensicherung ließen sich die Schrauben aber letztendlich gut eindrehen.
Am Bremshebel lassen sich durch die Verwendung der Shiftmix-Klemmen übrigens Schalthebel beider Hersteller platzsparend montieren. Bei der Verwendung von Gripshift-Hebeln ist das natürlich nicht notwendig. Wichtig ist aber, dass der Bremshebel ausreichend weit ausgreift, um auch über den umlaufenden Gripshift-Hebel herum zu greifen.
Jetzt endlich fahren!
Nachdem mich im März und April eine Grippe ordentlich beschäftigt hat, ist von der Winterform so ziemlich alles weg. Dafür sind ein paar zusätzliche Kilos wieder da. Schlecht für mich, aber natürlich gut, um die Leistungsfähigkeit einer Bremse zu prüfen. Zwei Zentner Hesse soll die Schwabenbremse sicher mit 180er Scheiben auf den heimischen Trails im Taunus zum stehen bringen. Der Taunus ist zwar nicht alpin, bietet aber durchaus auch verblockte Trails mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Eine XC-Bremse kann man hier gut an Ihr Grenzen führen.
Vor den Trails kommt aber natürlich das Einbremsen. Jede Bremse muss vor der ersten Tour eingebremst werden, damit sich die Beläge mit der vollen Fläche an die Scheiben anlegen. Es gilt also einen Hügel zu finden, an dem man gefahrlos einige Vollbremsungen machen kann, bis sich die volle Bremskraft einstellt. Ich hatte das Gefühl, dass das bei der MT länger gedauert hat, als bei meinen bisherigen Bremsungen und auch die allererste Bremsung an der Ampel (auf dem Weg zum Einbremsberg) war schon ziemlich laaaang. Die Zeit für ein ordentliches Einbremsen sollte man sich also unbedingt nehmen.
Ist das Einbremsen erledigt, kann es ins richtige Gelände gehen. Der Druckpunkt ist im Betrieb härter, als er beim Ziehen des Hebels erst einmal den Anschein machte. Dennoch dosiert man bei der Magura über den Hebelweg. Bisher stand ich immer auf harte Druckpunkte, bei denen nur der Druck auf den Hebel die gewünschte Bremskraft weitergibt. Weiche Druckpunkte kannte ich bisher als unangenehm schwammig und für die Nutzung im technischen Gelände, wo es ja doch mal am Lenker ordentlich rappelt als schwierig. Die Dosierbarkeit der MT hat mich jedoch vom Gegenteil überzeugt – einfach super!
Will man die volle Bremskraft, muss man auch ordentlich, aber nicht übermäßig ziehen. Für leichtes Bremsen reicht entsprechend ein leichter Zug am Hebel und alles dazwischen ist sehr schön linear abrufbar. Es kommt also nicht irgendwo der Punkt, wo die Bremse abrupt zu macht, sondern man kann immer genau so viel Bremskraft abrufen, wie man gerade will oder benötigt. Gerade auf nassen Trails oder rutschigem Untergrund durch Laubauflage etc. macht es richtig Spaß, die Bremse bis kurz vor den Blockierpunkt zu zu machen oder einen kontrollierten Drift einzuleiten. Hier hat Magura ein perfektes Übersetzungsverhältnis gefunden und auch die Konstruktion der Bremsarmatur aus dem leichten und steifen Carbotecture-Material führt zu einem sehr steifen Druckpunkt, weil sich die Armatur selbst bei vollem Krafteinsatz nicht verzieht, wie das bei einigen anderen Leichtbaubremsen der Fall ist.
Die Bremskraft ist für einen 2-Kolben-Bremse phänomenal! Sie wirkt durch die hervorragende Dosierbarkeit zwar erst mal sanft, weil sie einen nicht „erschreckt“, aber wenn man richtig in die Hebel langt, sollte der Mageninhalt sicher sitzen!
Auch von der thermischen Kapazität her zählt die Magura zu den besten, von mir bisher gefahrenen, Bremsen. Nur einmal habe ich die Bremse so heiß bekommen, dass sie anfing zu schreien. Die Bremswirkung der Performance-Beläge lies aber in keiner Weise nach und von Bremsfading war absolut nichts zu merken.
Ansonsten läuft die MT erfreulich geräuschfrei, wenn man sie richtig ausgerichtet hat. Die von vielen praktizierte „Schnellmethode“ Schrauben am Sattel auf-Hebel ziehen-Schrauben zu funktioniert durch den schon beschriebenen Gummiaufsatz an den Sattelschrauben nur bedingt. Man sollte sich schon die Zeit nehmen, sich die Spaltmaße bei der Ausrichtung der Bremse genau anzusehen. Dann macht die Magura MT6 einen hervorrganeden Job und viel Spaß!
Fazit
Meine Erwartungen in die Magura MT6 HC haben sich voll erfüllt. Mit der aktuellen Version ist auch die 2-Kolben-Variante der MT-Serie wieder voll auf der Höhe und braucht sich vor keinem Wettbewerbsprodukt zu verstecken. Sie bietet hervorragende Bremsleistung und lässt sich gefühlvoll dosieren. Auch mit meinem Kampfgewicht kam die MT super zurecht. So erhält man beim Kauf eine leichte Bremse mit viel Potential, die vom Renneinsatz auf der Marathonstrecke bis zu großen Touren alles mitmacht. Die moderne Konstruktion, vor allem am Bremssattel, in Kombination mit dem ausgreiften Entlüftungssystrem macht das „gefürchtete“ Montieren einer Bremse ungewohnt angenehm. Bergauf muss ich jetzt erst mal wieder Form „aufholen“, aber für die Abfahrt bin ich nun prima ausgerüstet. Ich freue mich auf eine schöne MTB-Saison mit der Magura MT6 HC!